Die Ureinwohner Australiens verfügen über die älteste durchgehende Kultur der gesamten Weltgeschichte, ihre Felsmalereien sind über 50.000 Jahre alt. Von Asien kommend besiedelten sie den fünften Kontinent, der sich in der Folge vom Urkontinent abspaltete und den Einwohnern eine Existenz ohne fremde Einflüsse ermöglichte.
Resultat dieser Lebensweise ist die völlige Naturverbundenheit dieser Menschen, die in unzähligen Ritualen für alle Bereiche des Lebens wie Sexualität, Schwangerschaft, Geburt, etc. ausgedrückt wird.
Das Digeridoo ist ein weltbekanntes von den Aborigines stammendes Instrument und eigentlich ein Phallus Symbol. Das gesamte Leben dieses Naturvolks ist stark von ihrer Sexualität und ihrem Naturinstinkt geprägt, und sie legen eine Freizügigkeit an den Tag, die unserer westlichen Welt oft befremdlich erscheint.
Der Glaube und die Traumzeit Grundlegend für ein Verstehen dieser uralten Kultur ist es, den Begriff der Traumzeit zu erläutern, denn aus ihr heraus entstehen alle Gebräuche und Mythen. Die Traumzeit ist mit der Schöpfung allen Lebens gleich zu setzen, eine Zeit in ferner Vergangenheit, in der alle Menschen, Tiere und Pflanzen eins waren. Die Traumzeit dauert für die Aborigines bis in die Gegenwart und die Zukunft an. Sie glauben daher, dass alle Dinge und Lebewesen Teil ein und desselben Systems sind und immer miteinander in Verbindung stehen, ein andauernder Austausch an Energien. Diese starke Einheit von Himmel, Menschen, Erde und allem, was auf ihr existiert wird von Zauber und Magie begleitet. Dadurch verfügen die Menschen übereine Vielzahl an verschiedenen Ritualen, die zur Heilung, Initiation, Bestrafung, Tötung, zur Jagd und Nahrungssuche eingesetzt werden. Ein sehr starkes Ritual ist das „Pointing the bone“, wo der Medizinmann einen angespitzten Knochen auf jenen zeigt, der bestraft werden soll. Das Opfer ist so tief davon überzeugt, tatsächlich von dem Knochen durchbohrt zu werden, dass es bald darauf stirbt. Doch nicht nur der starke Glaube und die Phantasie sondern auch die ungewöhnlichen Naturkenntnisse dieses Volkes verblüffen uns. So ist bekannt, dass die Aborigines den Erdmagnetismus wahrnehmen können und sich entlang dieser Bahnen – den Traumpfaden – bewegen.
Die Stellung von Mann und Frau
Wie bei vielen Urvölkern ist auch bei den Aborigines die Jagd Angelegenheit der Männer und das Sammeln anderer Nahrung sowie die Aufzucht der Kinder Frauensache. Die Frauen sind von vielen Ritualen der Männer ausgeschlossen, besitzen dafür aber eigene Rituale zu denen wiederum nur Frauen zugelassen sind. Männer genießen den höheren Status in der Kultur der Aborigines, doch ein Sprichwort beschreibt sehr treffend,
dass man sich der Bedeutung der Frau als der Ursprung allen Lebens sehr wohl bewusst ist: „Die Frau wird von der Natur geboren, der Mann muss von der Kultur geformt werden.“ Die Aufgaben der Frau sind also von der Natur bereits definiert, während der Mann seinen Platz in der Gesellschaft erst suchen muss. Die Frau symbolisiert die Kräfte des Lebens und der Unendlichkeit, während männliche Energien enden wollend sind und für das Töten stehen. Frauen werden meist sehr jung, zwischen zwölf und achtzehn, mit wesentlich älteren Männern verheiratet und schwanger. Das führt dazu, dass die Mädchen sehr schnell zu Witwen werden und sich jüngere Männer nehmen. Neben dem Ehemann sind auch Liebhaber keine Seltenheit, worüber man aber großzügig hinwegsieht. Die Frau schläft meist in einer Spirale um den Ehemann und kann, sobald er eingeschlafen ist, zu ihrem Liebhaber schleichen. Generell unterscheiden die Aboriginals zwischen sozialer, persönlicher und ritueller Liebe. Unter sozialer Liebe verstehen sie die Wahl des Ehepartners, wobei den Männern meist die „Kreuzcousine“, die Tochter der Tochter eines Großonkels mütterlicherseits, versprochen wird. Da ein Mann nicht nur eine biologische Mutter sondern auch etliche „Hautmütter“ hat – das sind seine Tanten und die Schwestern des Vaters seiner Angetrauten – ergibt sich eine Vielzahl von Kreuzcousinen und daraus resultierenden möglichen Partnerinnen. Die persönliche Liebe hingegen ist das vor oder außereheliche Leben. Obwohl die Aboriginals polygam leben dürfen, werden außereheliche Verbindungen nur heimlich geführt, weil aufgedeckte Beziehungen die Ehe stören, was nicht erwünscht ist.
Schwangerschaft und Geburt
Um die Empfängnis ranken sich besonders viele Mythen, die mit der Magie der Aborigines zusammenhängen. So glaubt man, dass jedes zukünftige Kind bereits als Geistkind existiert und auf der Suche nach seinen Eltern ist oder aber die Eltern nach ihm suchen. Ohne dieses Geistkind, das mit der Seele gleichzusetzen ist, kann sich der Embryo im Mutterleib nicht entwickeln. Oft erscheint das Geistkind dem Mann im Traum oder bei der Jagd und dieser gibt es dann an die Mutter weiter. Es ist aber auch möglich, dass die Mutter ihr Geistkind an einem Ort mit heiliger Kraft in der Natur empfängt. Zu diesem Zweck gehen Frauen in eine „Fruchtbarkeitshöhle“ wie man sie auch im heiligen Berg Uluru, dem AyersRock, findet. Sie reiben sich an den Felswänden, um ihre Fruchtbarkeit zu steigern. Später setzen sie sich an Stellen wo Geistkinder oft gesehen werden und versuchen diese, in ihren Schoß zu locken. Verspürt die Frau daraufhin einen Schmerz im Unterleib führt sie ihren Mann an die Stelle der „Empfängnis“. Dieser versucht zu ergründen, welche „Ahnenkräfte“ dabei im Spiel waren; diese Ahnen gelten als die Erzeuger des Kindes. Bis auf kleinere Abweichungen ist das Geburtsritual bei allen Stämmen der Aboriginals gleich. Die werdende Mutter verlässt gemeinsam mit ihrer Mutter das Lager und begibt sich an einen geschützten Ort, der in der Nähe einer mit Wasser gefüllten Felsmulde liegt. Die zukünftige Großmutter hebt ein Loch im Boden aus, füllt dieses mit Gräsern und Hölzchen, um ein Feuer zu entzünden. Die Schwangere stellt sich nackt in den Rauch, dann lehnt sie sich mit dem Rücken gegen eine Akazie. Während der Wehen wird sie von ihrer Mutter kräftig am Rücken massiert. Sobald das Pressen beginnt, stemmt sie sich gegen den Baum, der ihrem Rückgrat Kraft verleihen soll. Die Geburthelferin gräbt zwischen den Beinen der Wehenden ein Loch und muss, sobald der Kopf des Kindes sichtbar wird, sehr schnell handeln. Ist das Kind schwach oder behindert darf sie es in der Erde vergraben noch bevor es den ersten Schrei tut. Das ist sehr wichtig, denn wenn die Mutter ihr Kind einmal schreien hört, ist bereits eine Bindung zu ihm hergestellt. Meist aber gelingt die Geburt und die Hebamme und Großmutter beißt nun die Nabelschnur durch. Die Plazenta wird im Erdloch, dem Geburtsort des Kindes, vergraben. Nun wird das Baby kurz kopfüber über das Feuer gehalten und im Anschluss aus rituellen Gründen mit Sand und Asche eingerieben, was auch hygienisch sinnvoll ist. Um den Hals erhält es ein zu einem Band gedrehtes Stück Nabelschnur, ein Sinnbild für die Verbindung zu den großen Ahnen und deren heiliges Wissen. Die Tage nach der Geburt verbringen Mutter und Kind noch am Geburtsort. In dieser Zeit ist es dem Mann streng verboten, Mutter und Kind zu sehen. Allerdings ist er verpflichtet, die beiden mit Nahrung zu versorgen. Sobald die Mutter zu ihrem Stamm zurückgekehrt ist, wohnt sie vorerst bei ihrer Mutter, dann zieht sie wieder zum Vater ihres Kindes. In allen Angelegenheiten wie Menstruation, Schwangerschaft und Geburt haben die Frauen eigene Gesänge und Rituale von denen die Männer ausgeschlossen sind. Die Frauen haben spezielles Wissen zur Verhütung, wie zum Beispiel die interessante Methode den Samen durch Kontraktionen des Beckenbodens wieder auszustoßen. Auch Abtreibungen sind keine Seltenheit, um das Liebesleben genießen zu können und sich nicht durch zu viele Geburten zu verausgaben. Sind die Kinder aber auf der Welt, werden sie mit viel Zärtlichkeit und Liebe groß gezogen, auch die Väter kümmern sich geduldig um ihren Nachwuchs. Kleine Kinder genießen große Freiheit und werden niemals bestraft.
Der Übergang von der Kindheit in das Erwachsenenalter wird mit einem speziellen Ritual gestaltet, die Initiation. Besonders der Knabe erfährt ein solch komplexes Ritual, denn man glaubt, dass die Trennung von der Mutter ihn mit Angst und Tod konfrontiert. Die Initiation zum Mann hat das Ziel, den Knaben sterben und ihn als Mann wieder auferstehen zu lassen. Das Leben und Geben von Leben ist jedoch die Domäne der Frauen, wodurch der Frau innerhalb der stark von Männern dominierten Aborigines Gesellschaft eine wichtige Rolle zugestanden wird.