„Man muss noch ein Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können“ (Friedrich Nietzsche)
Väter von heute wollen körperlich und seelisch präsent sein und sich als Mann in die Familie einbringen. Obwohl beruflich immer noch sehr eingespannt suchen sie nach Nischen und Möglichkeiten ihre Kinder von Anfang an achtsam, respekt- und liebevoll zu begleiten. Und das birgt die ungeahnte Möglichkeit in sich an ihre Kinder weiterzugeben, wer sie wirklich waren und sind.
Baby Guide sprach mit Felix Rohner-Dobler, Autor des Buches: „Familien brauchen Väter“ und selbst Vater von drei Kindern, über den Mut sich als Mann in der Familie zu zeigen und die Lust Kinder zu begleiten auf ihrem Weg hinein ins Leben.
In ihrem Buch beschreiben Sie das „innere Feuer“ mit dem jeder Mensch zur Welt kommt. Wie gelingt es uns als Eltern dieses Feuer in unseren Kindern zu nähren und zu hüten und warum ist es wichtig, dass es in unseren Kindern brennt?
Uns Eltern gelingt es nur, das innere Feuer unserer Kinder zu nähren und zu hüten, wenn wir selbst in Kontakt sind mit unserem eigenen inneren Feuer, mit unserem wahren Wesenskern.
Wenn das Feuer in unseren Kindern brennt, wenn sie in Einklang sind mit sich selbst, dann finden sie Orientierung in ihrem Leben.
Solange das Feuer in uns und unseren Kindern brennt, wird die Welt nicht erkalten und verhärten.
Was brauchen Kinder von ihren Eltern um so aufwachsen zu können, dass ihre wahre Natur nicht verleugnet wird und sie so mehr mit sich und ihrem Inneren in Kontakt bleiben können?
Ich sehe ein Kind als Samenkorn. Alles Wissen ist im Kind schon im Mutterleib keimhaft grundgelegt und wartet nur darauf, sich zu entfalten. Die Aufgabe des Erziehers ist eine Aufgabe des Gärtners. Er muss den Boden bereiten, für genügend Wasser und Licht sorgen, damit das Samenkorn wachsen kann.
Damit ein Kind mit seinem Inneren in Kontakt bleiben kann, braucht es eine vorbereitete Umgebung und Eltern oder Erzieher, die das Kind so annehmen, wie es ist. Wir müssen loslassen von der Vorstellung, dass unser Kind so zu sein hat, wie wir oder die Gesellschaft das vielleicht erwartet. Lassen Sie Ihrem Kind seine Zeit und versuchen Sie nicht aus Ihrem Kind etwas anderes zu machen, als es ist. Ihr Kind ist Ihr Kind. Schenken Sie ihm Liebe und Respekt und lassen Sie Ihr Kind seinen Neigungen entsprechend wachsen.
Was ist das Besondere, das nur Väter an ihre Kinder weitergeben können und welche „Gefahren“ gibt es für Kinder, die ohne Vater aufwachsen?
Das Besondere an Vätern (und wenn der Vater nicht anwesend ist, an einer anderen männlichen Bezugsperson, wie Onkel, Lehrer etc.) ist schlichtweg das Maskuline, das Frauen nicht geben können. Väter sind anders, Mütter auch. Archetypischerweise steht der Vater für Struktur, Ordnung und die Welt außen. Alleine durch sein Dasein führt der Vater sein Kind aus der verschmelzenden Zweierbeziehung mit der Mutter heraus in eine Dreierbeziehung.
Mein Anliegen ist es, Väter, die Interesse an ihrer Familie haben, zu ermutigen, diese großartige Herausforderung anzunehmen.
Welche „Geschenke“ kann ein Vater seinem Kind mit auf den Weg geben?
Das großartigste Geschenk, das ein Vater seinen Kindern geben kann, ist seine Präsenz. Der präsente Vater ist ein Präsent! Dabei zählt weniger die Quantität der Anwesenheit, als vielmehr die Qualität. Es ist wichtig, mit Leib und Seele ganz im Spiel mit dem Kind zu sein und sei es nur eine halbe Stunde lang. Nur so erlebt das Kind: „Mein Papa ist ganz bei mir und ich darf ganz bei mir sein!“
Für viele Menschen macht es einen bedeutsamen Unterschied, ob die Mutter sagt: „Ich bin stolz auf Dich!“, oder ob dieser Satz vom Vater kommt. Spüren Sie diesem Satz innerlich nach; einmal von Ihrer Mutter gesprochen, einmal von Ihrem Vater. Die Anerkennung durch den Vater hat für die meisten Menschen mehr Gewicht.
Wie kann ich mich als Erwachsener aus den Manipulationen meiner Kindheit befreien und meinen eigenen Weg gehen?
Wahrscheinlich gelingt es mir nur dadurch, mich aus den Manipulationen aus der eigenen Kindheit zu befreien, indem ich mich mit meinem Selbst, meiner Geschichte auseinandersetze. Vielfach ist das ein jahrelanger Prozess, der nie ganz abgeschlossen ist. Die Entwicklung des Eigen-Sinns führt aber zur Weisheit und einem erfüllten Leben.
Wie gelingt es Vätern, die oft wenig Zeit zu Hause verbringen können, mit sich selbst achtsam umzugehen und diese Achtsamkeit auch an ihre Kinder weiterzugeben?
Wenn wir ein Kind beim Spiel beobachten, z. B. im Sandkasten oder mit Bauklotzen, dann können wir oft sehen, wie es ganz bei der Sache ist und die Welt rundherum gar nicht wahrnimmt. Achtsamkeit entsteht wenn wir mit Körper, Geist und Seele anwesend sind. Es genügt eben nicht, nur körperlich anwesend zu sein.
Eine Übung, um ganz bei mir selbst zu sein, geschieht durch den Atem: „Ich atme ein – werde mir meines Körpers bewusst – atme aus und lächle.“ Zwei-, dreimal bewusst Aus- und Einatmen genügen oftmals, um ganz im Hier und Jetzt zu sein.
Warum gelingt es Kindern so leicht uns an unsere Grenzen zu stoßen und wie gelingt es Eltern sich durch Wutausbrüche nicht anstecken zulassen, sondern respektvoll Grenzen zu setzen und so die persönliche Verantwortung der Kinder zu wecken?
Unsere Kinder kennen uns. Schon sehr früh wissen sie, wie sie uns auf die Palme bringen können. Dabei sind unsere Kinder nicht boshaft. Sie wollen keinen Machtkampf. Meistens wollen Kinder ihre Eltern lieben und mit ihnen zusammenarbeiten. Manchmal setzen unsere Kinder uns einen Spiegel vor und das kann ganz schön nerven.
Es gibt keine Familie ohne Konflikte. Meinungsverschiedenheiten, unterschiedliche Pläne und Interessen sind aber nichts Negatives. „Der Konflikt ist der Vater aller Dinge!“ Konflikte veranlassen uns, das Bestehende neu zu ordnen und zu verwandeln. Dadurch wachsen und reifen wir.
Wut ist eine sehr ansteckende Emotion, doch Wut macht bekanntlich blind. Wenn Ihr Kind wütend ist, sollten Sie versuchen ruhig zu bleiben. Vielleicht hilft es Ihnen bewusst zu atmen. Die Wut Ihres Kindes ist ein kraftvoller Ausdruck, dass etwas nicht stimmt. Wenn Ihr Kind z. B. im Supermarkt (für ein kleines Kind ein Ort der totalen Reizüberflutung) wütend wird, sollten Sie nicht versuchen Ihr Kind zu verändern, sondern besser die Situation beim Einkaufen.
Wenn wir respektvoll Grenzen setzen wollen, dann müssen wir zuerst nachspüren, wie wir selbst Grenzen gesetzt bekommen wollen. Welche Art Grenzsetzung, z. B. Ihrer Frau oder Ihres Chefs, können Sie annehmen und bei welcher Art Grenzsetzung werden Sie nur noch wütender? Kommt die Grenzsetzung z. B. von oben herab, ist besserwisserisch oder nimmt Ihre Gefühle nicht wahr, so ist sie meist unannehmbar. Eine Grenzsetzung von Mensch zu Mensch, in der Sie mit Ihren Bedürfnissen ernst genommen werden, können Sie jedoch recht leicht annehmen.
Warum sind gesunde Rituale wichtig und wie können Väter für sie typische Rituale in den Alltag mit ihren Kindern einbauen?
Leben ist Wandlung. Aus einem Baby wird ein Kleinkind, ein Jugendlicher und später ein Erwachsener. Dieser Wandel ist nicht immer leicht und das Neue bereitet oft auch Angst oder Sorge.
Rituale sind wichtig, weil sie diese Übergänge des Tages oder des Lebens heilsam begleiten. Das Alte, Vergangene wird dankbar gewürdigt und das Neue, Zukünftige wird gelassen begrüßt. Alle Rituale sollten so gestaltet sein, dass Sie bewusst atmen, um mit Leib und Seele im Hier und Jetzt zu sein.
Väter können Rituale im Kreislauf des Tages, des Jahres oder des Lebens immer wieder einbauen und so ganz bei ihrem Kind sein. So können Väter dem Kind eine Hilfe sein, mit der Angst vor dem Neuen und Unbekannten bewusster umzugehen und das Leben in Freiheit zu feiern.