Als Vater Elternzeit zu nehmen ist eines der letzten Abenteuer überhaupt, stellte Hermann Ehmann fest, als er sich nach der Geburt seines Sohnes für drei Jahre vom Arbeitsplatz abmeldete und hoch motiviert, aber ahnungslos in eine faszinierende aber doch völlig unbekannte Anderswelt eintauchte.
In seinem Buch „Mein Leben als Mutti“ beschreibt er seine Erlebnisse als „Elternzeit-Papa“. Baby Guide sprach mit ihm über seine Erfahrungen…
Warum haben Sie sich entschlossen Elternzeit zu nehmen?
Ehmann (lacht): Weil meine Frau es so wollte – nein, Spaß beiseite. Ich hielt das anfangs für eine Hormonlaune von ihr, aber sie meinte es absolut ernst. Ich kam also dazu wie die Jungfrau zum Kinde. Doch die Vorstellung fand ich erst mal ganz spannend. Babys waren für mich immer nur winzige Schreiungeheuer gewesen, mit denen ich nie Näheres zu tun haben wollte. Andererseits wollte ich nicht zu jenen Spätheimkomm-Papis gehören, die ihrem Nachwuchs nur am Wochenende zufällig am Frühstückstisch über den Weg laufen und sich wundern, dass sie irgendwann rotzfrech angerülpst werden.
Wie hat die Umwelt auf Ihre Idee reagiert?
Ehmann: Recht gemischt. Teilweise wurde ich belächelt, teilweise bemitleidet, selten bewundert. Ganz toll fand ich, dass mein Vater und auch mein Schwiegervater nach anfänglicher Skepsis voll hinter mir standen und mich bestärkten, das hätte ich so nicht erwartet – eine tolle Männer-Solidarität über drei Generationen hinweg. Klasse-Erfahrung! Meine (kinderlose) Schulleiterin hingegen sagte: „Ich hab hier 24 Lehrerinnen an der Schule und von allen hätte ich das erwartet, aber doch nicht, dass ausgerechnet Sie drei Jahre Mutti spielen wollen. Hat das Kind denn keine richtige Mutter?“ Dann wurde noch versucht, mich bis zum Beginn der Elternzeit rauszumobben. Meine Chefin verbot mir sogar, eine Abschiedsfeier für die Schüler zu machen, das muss man sich mal vorstellen – von einer Pädagogin! Ich weiß, dass es vielen Vätern mit Elterzeitwunsch ähnlich geht.
Wie hat sich das Verhältnis zu Ihrem Sohn während dieser Zeit verändert?
Ehmann: Anfangs war ich sehr unsicher, doch durch den intensiven Kind-Kontakt entdeckte ich an mir Seiten, die mir sonst wohl für immer verborgen geblieben wären, weil man den Spiegel seines eigenen Verhaltens vorgehalten bekommt. Ich denke, dass Väter anders betreuen als Mütter: relaxter, weniger gluckenhaft, eher partnerschaftlich. Auf dem Spielplatz war es oft so, dass andere Muttis den Kopf schüttelten, in ihren Augen sah ich vieles eine Spur zu easy. Aber Fakt ist: Unser Sohn war fast nie krank, weil er nicht verweichlicht wurde. Die anderen Kinder mussten schon Mützen anziehen, wenn nur ein leichter Wind wehte. Dementsprechend lagen sie dann den halben Winter krank im Bett, während wir draußen herumtobten und keine Handschuhe brauchten.
Können Sie uns über ein besonders lustiges Ereignis während dieser Zeit erzählen?
Ehmann: O ja, sehr viele. Ein besonderes Highlight waren unsere Kuscheltier-Katapulte oder unsere selbst gebastelten Lego-Gondelseilbahnen, die wir quer durchs Wohnzimmer gespannt hatten. Wir haben auch in der Wohnung Fußball gespielt, was unser Sohn super fand. Meine Frau war davon weniger begeistert, aber man muss klar sagen: Sie hat es ja nicht anders gewollt. Und was kaputt gegangen ist, war sowieso irgendwie überflüssig.
Gab’s auch weniger angenehme Erlebnisse?
Ehmann: Einmal wäre ich fast vom Mutter-Kind-Parkplatz abgeschleppt worden, weil ich den als Vater nicht benutzen darf, wie ich heute weiß. Am Münchner Flughafen wurde uns die Ausreise nach Mallorca verweigert, weil die Polizisten Angst hatten, ich würde meinen Sohn entführen. Sogar die Kinderärztin schaute mich schief an, als ich einmal eine mir sinnlos erscheinende Behandlung ablehnte – Motto: ‚Väter haben doch von Kinderpflege keinen blassen Schimmer.’ Sie fragte mich: ‚Haben Sie das überhaupt mit der Kindesmutter abgesprochen?’ Da bin ich fast vom Glauben abgefallen, denn eine Mutter würde sowas umgekehrt natürlich nie gefragt.
Wir waren die häuslichen Pflichten während dieser Zeit aufgeteilt? Und wie sind Sie mit den Anforderungen, die Kind, Haushalt und Co. mit sich bringen, zurechtgekommen?
Ehmann: Für uns Männer ist das eine ganz neue Erfahrung, die ausnahmsweise mal nichts mit Gewinnmaximierung oder Durchsetzungsvermögen zu tun hat, da sind ganz andere Eigenschaften gefordert, die uns nicht unbedingt in die Wiege gelegt sind. Man muss wirklich wissen, worauf man sich einlässt, ich war am Anfang in gewissen Dingen viel zu naiv. Anfangs habe ich das tagtägliche Einkaufen, Saubermachen, Kochen usw. als Zumutung empfunden und verflucht, aber mann wächst bekanntlich mit seinen Aufgaben. Und man fällt ja nicht jeden Tag mit einem schreienden Kind auf dem Arm samt Staubsauger die Kellertreppe runter – obwohl ich mich an mehrere solcher (wahrscheinlich typisch männlicher) Haushaltsunfälle erinnere.
War Ihre Partnerin einverstanden, wie sie die Anforderungen bewältigt haben, oder war die Art und Weise, wie sie die Dinge erledigt haben, für Ihre Partnerin inakzeptabel?
Ehmann: Klar, auch im Rollentausch kann sich beziehungsmäßig einiges verschieben. Ich kann zum Beispiel keinem Mann empfehlen, neben der Kinderbetreuung auch gleich noch sämtliche Hausarbeiten mit zu erledigen, wie ich das vielfach gemacht habe. Was gut gemeint ist, kann leicht zum Bumerang werden, denn aus meiner Sicht braucht die Mutter – Berufstätigkeit hin oder her – auf jeden Fall noch Identifikationspunkte im Haushalt, derer er sie nicht berauben darf. Sonst besteht die Gefahr, dass er irgendwann gefrustet alleine zu Hause sitzt, während sie im Job auf- bzw. untergeht. Da sollte man frühzeitig gegensteuern, um die Balance zu halten. Sie fand es auf jeden Fall Klasse, dass ich vieles Unangenehme und Zeitraubende von ihr fern gehalten habe – auch wenn sie nicht immer zufrieden war, wie ich es gemacht habe.
Glauben Sie, dass das Familienmodell generell in einer Umbruchsphase steckt?
Ehmann: Die meisten Männer wollen sich gerne stärker in der Kinderbetreuung einbringen. Wenn es dann aber so weit ist, kneifen die meisten – weil sie den Widerstand und den Gegendruck in ihrer Umwelt spüren und berufliche Nachteile fürchten. Dabei profitieren letztlich alle: das Kind, der Vater, die Mutter, sogar der Arbeitgeber. Weil mann während der Elternzeit wertvolle Schlüsselqualifikationen erwirbt, die auch im Berufsleben nützlich sind: Geduld, Verantwortung, Zuverlässigkeit, Selbstdisziplin, Stressresistenz, Teamfähigkeit, Kompromissfähigkeit. In Schweden oder Finnland ist es selbstverständlich, dass Väter Arbeitsbesprechungen früher abbrechen, weil sie ihr Kind vom Kindergarten abholen müssen. Zu dieser gesellschaftlichen Akzeptanz sollten wir auch kommen. Da tut sich gerade einiges.
Welche neuen Formen des Zusammenlebens werden sich Ihrer Meinung nach entwickeln?
Ehmann: Es war eine großartige Zeit, die schönste meines bisherigen Lebens. Wer das nicht erlebt hat, verpasst definitiv etwas Fantastisches. Wir denken, dass unsere Entscheidung goldrichtig war, gerade für Jungen kann es von großem Vorteil sein, wenn sie schwerpunktmäßig vom Vater und nicht nur von der Mutter betreut werden. Das hat inzwischen ja auch die Entwicklungspsychologie festgestellt – zwar spät, aber immerhin.
Buchtipp:
Hermann Ehmann
Mein Leben als Mutti
Wahre Geschichten eines Elternzeit-Papas
Als Vater Elternzeit zu nehmen ist eines der letzten Abenteuer überhaupt, stellte Hermann Ehmann fest, als er sich nach der Geburt seines Sohnes für drei Jahre vom Arbeitsplatz abmeldete und hoch motiviert, aber völlig ahnungslos in die faszinierende Anderswelt der Pasta-Bambini-Gläschen und Hightechwindeln eintauchte. In diesem Buch schildert er, was er als Y-Chromosomenträger unter lauter Müttern tagtäglich erlebte.
Verlag C.H. Beck