Gerade die Geburt eines Kindes zwingt Männer sich aktiv mit ihrer neuen Rolle auseinander zu setzen und wirft viele Fragen auf. Baby Guide sprach mit DLB (Diplom-Lebensberater) Gottfried Kühbauer über unterschiedliche Rollenbilder des Mannes und zufriedenstellende Lösungsmodelle.
Denn an Väter der heutigen Generation werden unterschiedliche Anforderungen gestellt. Sie sollen sich in den Familienalltag einbringen, genug Geld verdienen, am Haushalt beteiligen und ein liebevoller, aufmerksamer Partner bleiben. Oft ohne Vorbilder – der eigene Vater blieb für viele unerreichbar – scheitern viele bei dem Versuch es allen recht machen zu wollen und ihre eigenen Wünsche an das Leben kommen zu kurz.
Welche Schwerpunkte setzen Sie in Ihrem Institut in Bezug auf Männer/Väter?
Nach Geburt des ersten Kindes ist die Partnerschaft Ressource für die Aufrechterhaltung der Liebesbeziehung. Hier ist es besonders wichtig sich gegenseitig im neuen Paaralltag mit Kind zu unterstützen.
Bei uns als Trennung-/Scheidungsinstitut, welches mit dem oftmaligen Ende der Beziehungsgeschichte ständig zu tun hat, macht rechtzeitige Vorbeugung Sinn. Wir versuchen vor allem auch Männer anzusprechen, sich in Einzelberatungen oder gemeinsam mit ihrer Partnerin, Gedanken zu machen, wie sich die Geburt des 1. Kind auf sie und ihre Partnerschaft auswirkt. Umso bewusster mit der neuen Situation und dem was Schwierigkeiten macht umgegangen wird, umso besser für die Beziehung.
Welche Motivation haben Männer/Väter in Ihr Institut zu kommen?
Viele Männer berichten, dass sie sich durch die männlichen Mitarbeiter des Institutes angesprochen fühlen, weil sie sich von männlichen Beratern besser verstanden glauben. Väter die mit der jungen Vaterschaft nicht ganz zu recht kommen, wenden sich an uns, da sie ein weiteres abtrifften in Beruf und Karriere weg von ihrer Frau, befürchten.
Welchen Einfluss hat die Herkunftsfamilie?
Die Herkunftsfamilien haben immer entscheidenden Einfluss. In einer Beziehung kommen zwei von haus aus nicht kompatible Wesen zusammen und gründen ein neues System. Jeder bringt in seinem Gepäck, Leitsätze, Familienregeln u. tief verankerte Sichtweisen aus der Herkunftsfamilie mit. Diese aufeinander abzustimmen bedingt, die Regeln der eigenen Herkunftsfamilie zu relativieren, das für beide Positive aus ihren Familien mitzunehmen, in das neu gegründete System einzubauen und sich eine neue Wirklichkeit zu erschaffen . Dieser oft schmerzhafte Prozess des Loslassens von der Herkunftsfamilie führt in der neuen jungen Partnerschaft häufig zu Loyalitätskonflikten zwischen den Partnern. Die Angehörigen machen es dem jungen Paar oft auch nicht allzu leicht wegzukommen und regieren in die junge Beziehung mit ihrem noch immer erheblichen Einfluss hinein.
Wann reagiert „Mann“ nach alten Mustern und wie gelingt es diese aufzubrechen?
Mann und Frau reagiert dann nach alten Mustern wenn die neuen Verhaltensweisen die das Paar als ihre entwickelt haben noch nicht weit genug verankert sind. Immer dann wenn Unsicherheit entsteht, richtet sich Mann oder Frau nach den alten bewährten Handlungsmuster in der Herkunftsfamilie. Dies ist durchaus normal. Das reflektieren und bewusst machen dieser alten nicht mehr in der neuen Beziehung wirkungsvollen Verhaltensregeln, werden in gemeinsamen Paarsitzungen, mit professionellen Unterstützung der BeraterInnen aufgelöst. Dann erkennt Mann oder Frau, dass Empfindlichkeiten oft nichts mit der Beziehung oder dem Partner direkt zu tun hat, sondern alte „Programme“ die Partnerschaft stören.
Warum ist es wichtig, dass der Vater im Leben seiner Kinder präsent ist und wie gelingt dies?
Für eine gute Entwicklung des Kindes sind beide Elternteile als primäre Bezugspersonen notwendig. Das zeigen seit Jahrzehnten, einschlägige wissenschaftliche Untersuchungen und sagt uns auch unser Hausverstand. Gerade bei Buben und männlichen Jugendlichen ist die Präsenz des väterlichen Identifikationsvorbildes für die Entwicklung des Jungen entscheidend notwendig. Wenn der Vater in diesem Alter nicht zur Verfügung steht, versuchen die Söhne dieses Manko oft in übertriebenen Männlichkeitsgehabe manchmal in problematischen Peergroups zu kompensieren und/oder bleiben defizitär. Umgekehrt dient das männliche Modell des Vaters Mädchen wieder bei der Suche ihrer ersten Partner. Ist das Verhältnis zum eigenen Vater problematisch besetzt, sind Mädchen oft unsicher was sie sich unter einem guten/passenden Partner oder Partnerschaft vorstellen können und auf Experimente mit oft problematischen Männern angewiesen.
Welchen Unterschied gibt es in der Erziehung von Jungen und Mädchen?
Gewaltige. Der wohl deutlichste Unterschied besteht in den sehr unterschiedlichen Rollenbildern die an Jungen und Mädchen weitergegeben werden. Dabei kann es sich um förderliche, dem Alter und Entwicklungsgrad des Kindes entsprechenden aber auch problematische Rollenvorbildern handeln. Dies ist abhängig von den konkreten Personen die gerade entscheidenden Einfluss haben. Hier wäre es von Vorteil wenn der Junge oder das Mädchen viele verschiedene Rollenbilder zur Auswahl hätte und nicht auf ganz bestimmte eingeschworen wird.
Wie kann „Mann“ seiner Tochter ein positives Bild von Männlichkeit und dem Sohn ein förderliches männliches Identifikationsbild vermitteln?
Entscheidend für Töchter sind:
Wie geht der Vater mit der Mutter um? Kann sie ihn als einen Vater beobachten, der seine Frau als ebenbürtig und gleichberechtigt behandelt oder sich auf alte herabwürdigende Sichtweisen zurückzieht. Erlebt sie ihren Vater als liebevoll im Umgang mit anderen, auch als Mann der seine Gefühle zeigt und als friedfertigen Vater der aber auch klare Grenzen hat und diese auch vertritt. Entscheidend ist auch wie der Vater mit der Tochter umgeht. Ob er auch ein kuscheliger Vater ist den sie angreifen kann, der für sie nicht nur beim Taschengeld zuständig ist sondern auch für den ersten Liebesschmerz. Wenn Töchter dies erleben können brauchen sie nicht mehr kompensatorisch, das was sie beim Vater nicht bekommen haben, bei zukünftigen Partnern suchen. Denn dort bekommt sie es nie, das wäre die falsche Adresse.
Entscheidend für Söhne sind:
Wie geht der Vater mit der Mutter um? Welche Verhaltensweisen kann der Sohn bei seinen Vater beobachten? Merkt er die Achtung des Vaters vor seiner Partnerin oder vermittelt er das Bild, das Frauen weniger wert sind. Was lernt er beim Vater über Beziehungsgestaltung? Wie geht der Vater mit Konflikten um, ist er gerecht, milde, gewalttätig oder bezieht er keine Stellung. Welchen Stellenwert gibt der Vater der Arbeit, hat er für seinen Sohn trotz beruflichen Engagements Zeit oder wächst der Sohn trotz körperlicher Anwesenheit des Vaters ohne inneren Bezug zu ihm auf? Wird er in seiner Entwicklung zum jungen Mann vom Vater entscheidend geprägt, oder muss, was letztendlich nicht gelingt, die Mutter dafür einspringen? Was lernt der Sohn beim Vater über den Umgang mit Gefühlen? Ist das offene zeigen von Gefühlen o.k. oder muss mann sich für Gefühle schämen weil mann dann ein Weichei ist? usw.
Wie kann es Vätern besser gelingen, den Stolz auf ihre Kinder und die Liebe zu Ihnen zu zeigen?
Indem sie das Verhältnis zu ihrem eigenen Vater thematisieren und sich ihrer vielleicht eigenen Defizite bewusst werden und so sich innerlich wieder versöhnen können. Dabei erkennen sie wieder den Wert von väterlicher Zuwendung und können diesem Bedürfnis ihrer eigenen Kindern leichter nachgeben.
Indem sie es ihren Kinder sagen das sie stolz auf sie sind, immer wieder, alters- und situationsgerecht und ungefragt. Die Liebe zu ihnen nie in Frage stellen auch wenn die Kinder sich gerade nicht zum Wohlgefallen der Eltern verhalten. Ihnen das Gefühl geben, dass sie ihre Zugehörigkeit und diese Liebe nie verlieren können, egal was passiert. Und Väter sollten ihre Kinder angreifen, zärtlich sein, sie liebkosen, auch wenn sie schon erwachsen sind, auch coole Söhne wollen gestreichelt und geküsst werden, auch wenn sie so tun, dass das nicht gerade geil ist, es muss ja nicht gleich in aller Öffentlichkeit sein.
Wie lassen sich unterschiedliche Lebensmodelle (Frau bleibt meist anfangs zu Hause, Mann verdient das Geld etc.) partnerschaftlich und familiengerecht planen?
Als erstes gilt es die unterschiedlichen Vorstellungen von der Zukunft beim andern Partner anzuerkennen, jeder hat ein Recht auf seine Vision, jeder ist zuerst einmal Individuum. Zweitens: Die Dauer einer Partnerschaft ist stark davon abhängig ob die zwei es schaffen gemeinsame Ziel, Werte, Visionen zu finden und sich auch darauf, abgesprochener Weise zu einigen. Dabei soll es auch attraktive Ziele geben die nur das Paar (ohne Kinder) betreffen. Die Ziele sind von der jeweiligen Lebensphase der Einzelpartner und des Paares abhängig und dürfen immer neu weiterentwickelt und verhandelt werden. Partnerschaft und Liebe befindet sich immer im Fluss der Zeit, mann und frau kann nicht auf Vorrat lieben.
Wenn Paare sich immer wieder, wenn es im Beziehungsgebälk knirscht, daran erinnern was der Grund war warum sie den anderen interessant für sich fanden und bei dieser Kraft die auch Liebe genannt wird, anknüpfen können, ist dies der halbe Sieg. Die andere Hälfte des Sieges sollten sie in einer sich weiterentwickelnden Partnerschaft immer wieder ausverhandeln. Beide Teile sind für eine glückliche Beziehung notwendig, denn dann herrscht, eingebettet in die verschiedenen Lebensphasen, ein Ausgleich zwischen Nehmen und Geben.
DLB Gottfried Kühbauer
Jahrgang 1950, Vater von zwei erwachsenen Kinder
Diplom- Lebensberater und Mediator, tätig seit vielen Jahren in der Einzel- und Paarberatung, Mediation und Präventionsberatung für junge Paare, weitere Infos unter www.kuehbauer.at
Mitarbeiter der Männerberatung Wien, Bereichsverantwortlicher für Trennung- & Scheidungsberatung und Arbeitswelt
Leiter des Österreichischen Institut für Trennungs- und Scheidungsbegleitung sowie Präventionsberatung (ÖIT), Infos unter: www.oeit.at