Das Gebiet der heutigen Eskimos umfasst beinahe zehntausend Kilometer Küste vom Pazifik bis zum Atlantik, von Sibirien und Alaska bis nach Kanada, Grönland und Labrador. Keine andere Rasse, die zahlenmäßig ein so kleines Volk darstellt, kann über einen derart großen aber auch menschenfeindlichen Lebensraum verweisen. Die extreme Kälte und der unfruchtbare Permafrostboden bewirken, dass die Eskimos lange Zeit ein Nomadendasein geführt haben, das für alle Mitglieder nur unter großen Entbehrungen das Überleben gesichert hat.
Die Lebensbedingungen der Eskimos
Der Name „Eskimo“ stammt vom indianischen Wort Esqimantsik und bedeutet eigentlich abwertend „Rohfleischfresser“. Man geht davon aus, dass die Ureinwohner asiatischer Abstammung waren und mit den Vorfahren der späteren Indianer nach Norden vertrieben wurden.
Da die extremen Klimabedingungen in der Arktis keinen Obst-, Gemüse- und Getreidebau zulassen, ernährten und ernähren sich die Eskimos auch heute noch fast ausschließlich vom Fleisch der gejagten Beute; das rohe Fleisch bietet dabei fast alle wertvollen Vitamine und Mineralstoffe, die die Menschen zum Überleben brauchen. Der Körper hat sich perfekt an das vorhandene Nahrungsangebot angepasst. Neugeborenen wird sogar nach der Geburt traditionsgemäß rohes Fleisch gegeben, um sie in einem Ritual in den Kreis der Natur und somit der Fleischessenden aufzunehmen. Man glaubte außerdem, dass durch solche Rituale die gejagten Tiere bedacht werden müssten, damit sie gerne ihr Leben hingaben. Die Menschen der Arktis waren auf das Fleisch der Beutetiere zum Überleben angewiesen, und darum gibt es unzählige Bräuche, welche die Tierseele verehren.
Durch die moderne Industrialisierung wurden natürlich auch andere Lebensmittel in diese Regionen geliefert, doch noch heute leidet ein Großteil der Eskimos oder Inuit, wie sie heute genannt werden, an Milchunverträglichkeit.
Die Jagd auf Beutetiere hatte über viele Jahrhunderte die Lebensweise dieser Menschen geprägt und sie zu Nomaden gemacht. Die üblichen Behausungen waren daher Zelte, die als Stützkonstruktion aus den Rippenknochen großer Wale errichtet, mit Tierhäuten überzogen und mit Gras, Erde und Schnee gedeckt und Wärme gedämmt waren. Wenn die Männer auf Jagdwanderung gingen, wohnten sie oft in Iglus, die aus großen Schneeblöcken spiralenförmig errichtet wurden.
Kinderreiche Inuit-Familien lebten in einem Erdhaus oder Qarmaq, das halb in den Boden hinein gebaut war, um die schwerere Kaltluft nicht in die höher gelegenen Wohnräume eindringen zu lassen, die nur durch einen niedrigen abschüssigen Eingang betreten werden konnten.
Mythen und Bräuche rund um die Geburt
Aufgrund der extremen Lebensbedingungen spielen bei den Eskimos Riten und Tabus eine große Rolle, um die Kräfte der Natur milde zu stimmen. Einige dieser Tabus betrafen vor allem die Frau während ihrer Menstruation, sowie bei und nach der Geburt. Sie galt in dieser Zeit als unsauber und verärgerte somit die Götter. Man stellte sie unter Quarantäne und hielt sie von den Jägern fern, um Geister und Tiere nicht zu verstimmen. Mit dem Einsetzen der ersten Monatsblutung war es üblich, Frauen im Gesicht und an den Brüsten zu tätowieren. Dabei wurde mit einer Knochennadel ein schwarzer Faden unter der Haut durchgezogen. Sinn dieser Tätowierungen war es einerseits die Familienzugehörigkeit anzuzeigen. Weiters sollte es den Frauen helfen, ihre häuslichen Pflichten zu erfüllen, sie vor Kinderlosigkeit schützen und sie bei der Bewältigung der Geburtswehen unterstützen.
Bis in die 30-er Jahre des vorigen Jahrhunderts wurden die Frauen während der Geburtswehen, nur mit Wasser gegen den Durst, allein in einem Zelt oder dem Qarmaq zurückgelassen, das nur für diesen Zweck gebaut worden war. Dabei wurde besonders darauf geachtet, dass die Wände des Erdbaus glatt waren, um eine leichte Geburt zu symbolisieren. Gebar sie in einem Iglu, war der letzte Stein besonders wichtig. Er musste möglichst groß sein, auch das stand für eine leichte Geburt. Die Frau gebar ihr Kind auf einem Karibufell und band die Nabelschnur eigenhändig mit Karibusehnen ab. Danach durfte sie mehrere Tage die Behausung nicht verlassen, solange bis die Nabelschnur des Neugeborenen abgefallen war. Diese Behandlung der Frau erscheint grausam und unmenschlich. Heute, nach Beendigung des Nomadenlebens, gebären auch die Eskimo-Frauen ihre Kinder in Blockhütten oder dem Gesundheitszentrum der Siedlung und werden von geschultem Personal unterstützt.
Waren die Kinder einmal auf der Welt, hieß das noch lange nicht, dass auch ihr Weiterleben gesichert war. Da Mädchen meist eine Belastung für die Familien waren, weil sie später einmal nicht für die Jagd tauglich sein würden, war die Kindstötung ein alltägliches Brot. Die Babys wurden erstickt oder im Schnee zurück gelassen. Wenn Zwillinge auf die Welt kamen, wurde meist eines der Kinder getötet. Für den Fall, dass die Mutter bei der Geburt starb wurde auch das Baby ins Grab gelegt, da es außer der Muttermilch keine andere Babynahrung gab. Manchmal wurde ein Hundekopf mit ins Kindergrab gelegt, damit die Hundeseele die noch unwissende Kinderseele mit ins Totenreich begleiten konnte.
Besaß ein Baby jedoch schon einen Namen, durfte es nicht mehr getötet werden. Die Namensgebung spielt generell eine wichtige Rolle, der Name ist Teil der Seele und prägt ganz wesentlich die Persönlichkeit. Man sagte, dass Säuglinge nur weinen, weil sie noch keinen Namen haben. Nach dem Tod eines Menschen irrt der Name umher, aus diesem Grund wird derselbe Name eines Toten gerne wieder weitergegeben. Damit gehen bestimmte Eigenschaften und Teile der Seele des Verstorbenen auf das Kind über.
Doch extreme Lebensbedingungen binden die Menschen auch enger aneinander. Wie in vielen anderen ursprünglichen Kulturen werden auch die Kinder der Eskimo-Frauen am Körper getragen. Sie sind dabei mit einem speziellen Gurt unter dem Po an den Rücken der Mutter geschnallt und können, gewärmt in einem großen Fellumhang oder in der Kapuze des Anoraks, die Welt um sich herum vorbei am Kopf der Mutter aus einer immer neuen Perspektive sehen. Besonders den Inuit wird ein hervorragendes Raumgefühl nachgesagt, sie können Bücher sowohl verkehrt als auch von vorne nach hinten lesen.
Studien haben außerdem ergeben, dass sich getragene Kinder in allen Kulturkreisen rascher und besser entwickeln als Kinder, die flach in ihrem Kinderwagen liegen. Das Tragen am Körper hat noch einen weiteren großen Vorteil: Mütter können genau vorher sagen, wann ihr Baby urinieren muss, um es dann für diese Augenblicke vom Körper weg zu halten. Im Gegensatz zu unserer westlichen Zivilisation ist das Tragen von Windeln für Babys in naturnahen Kulturen nicht üblich.
Das Familienleben
Die Heirat bei den Eskimos ist einfach, meist gibt es keine Hochzeitszeremonie. Die noch sehr junge Frau im Alter von etwa 14 Jahren wird vom Mann als Partnerin erwählt und zieht mit ihrem Kochtopf, dem Messer und der Lampe zu ihm und seiner Habe – die Jagdausrüstung. Eine Scheidung kommt öfter vor und ist ebenfalls unkompliziert, man geht einfach. Trotzdem hat die Familie einen wichtigen Stellenwert, weil sie das Überleben jedes einzelnen Mitglieds sichert.
Frauentausch war bei den Inuit keine seltene Angelegenheit, wenn zum Beispiel die Männer auf eine längere Jagdwanderung gingen und ihre schwangeren Frauen nicht mitnehmen konnten. Ein Frauentausch verband zwei Familien auf Dauer und forderte gegenseitige Hilfsbereitschaft. Außerdem glaubte man, dass den Männern damit ein Identitätswechsel ermöglicht wurde, um somit böse Geister in die Irre zu führen.
Bei manchen Eskimo-Stämmen lebten die Männer von ihren Familien getrennt in eigenen
Männerhäusern oder Qasgiqs. Im gemeinsamen Bau oder Zelt befand sich die Schlafstätte der Frau auf der Seite der Öllampe, denn sie musste dafür sorgen, dass das Feuer in der Lampe nicht ausging. Der Mann schlief auf der Seite der Waffen und Jagdgeräte während sich die Kinder dazwischen kuschelten.
Die Kindererziehung ist bei den Eskimos eine sehr liebevolle Angelegenheit. Kinder werden verhätschelt, aber nie geschlagen und kaum bestraft. Sie müssen später einmal für ihre Eltern sorgen, und werden schon im Alter von vier bis fünf Jahren in die Jagdkünste und die Haushaltspflichten miteinbezogen. Um Kindern einen gewissen Schutz vor bösen Geistern zu gewähren, werden ihnen zahlreiche Amulette umgehängt. Sie sollen später aus den Mädchen gute Näherinnen, die warme wasserfeste Kleidung sowie Boot- und Zeltüberzüge herstellen können, und aus Jungen erfolgreiche Jäger machen. Diese fixe Aufgabenteilung bewirkt, dass Mann und Frau gegenseitig voneinander abhängig sind, was letztendlich den Respekt zueinander sichert.