Säuglinge und Kleininder sind vergleichsweise häufig von einer Kuhmilch-Eiweiß-Allergie betroffen und nur etwa bei 10% wird diese Allergie richtig diagnostiziert. Das Erkennen dieser Unverträglichkeit gestaltet sich besonders schwierig, da das Erscheinungsbild der Krankheit stark variiert. Die Beschwerden reichen von Hautausschlägen und Neurodermitis über Probleme des Magen-Darm-Trakts bis zu Atembeschwerden. Bei korrekter Diagnose und der richtigen Therapie sind die Prognosen jedoch exzellent.
Baby Guide sprach mit Prim. Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde.
Kuhmilcheiweiß und Hühnereiweiß sind die wichtigsten Verursacher von Nahrungsmittel-allergien im Säuglingsalter. Häufiger als alle anderen Ursachen für Allergien gegen Nahrungsmittel.
Klinische Symptome
Die klinischen Symptome der Kuhmilcheiweißallergie im Säuglingsalter sind sehr vielfältig sowohl hinsichtlich der Art und der Schwere der Erkrankung. Das Besondere der Kuhmilcheiweißallergie ist zudem, dass sehr unterschiedlichen Organe betroffen sein können. Die allergischen Symptome können entweder sehr früh nach der Einnahme von Kuhmilcheiweiß auftreten (innerhalb von zwei Stunden nach Aufnahme) oder auch erst viel später, dann treten sie als sogenannte verzögerte Reaktionen (noch bis zu 48 Stunden danach, selten bis zu einer Woche später) auf. Früh- oder Sofortreaktionen unterscheiden sich immunologisch deutlich von Spätreaktionen.
Die Symptome einer Kuhmilcheiweißallergie können sich an der Haut (z.B. als Nesselausschlag, Rötung, Juckreiz oder Ekzemverschlechterung), den Schleimhäuten des Respirationstraktes (z.B.: im Sinne einer Einengung der Atemwege, Schwellung im Halsbereich oder als allergischer Schnupfen oder allergische Bindehautentzündung), am Magen-Darm-Trakt (als Schwellung der Schleimhäute im Mundbereich, Durchfall mit oder ohne Zeichen der Mangelernährung mit nachfolgender Gedeihstörung, blutig-schleimige Stühle als Hinweis auf eine allergische Darmentzündung, aber auch Nahrungsverweigerung, Erbrechen, schwere Koliken oder chronische Verstopfung) oder systemisch bis hin zum seltenen allergischen Schock mit tödlichem Ausgang zeigen. Die Auflistung der Symptome am Magen-Darm-Trakt zeigt ein extrem breites Spektrum auf, bei dem an das Vorliegen einer Kuhmilcheiweißallergie gedacht werden muss.
Die bei weitem häufigsten Symptome sind aus dem Magen-Darm-Trakt zu erwarten, etwa die Hälfte der Kinder mit Kuhmilcheiweißallergie zeigen eine Neurodermitis, ein atopisches Ekzem und ein Viertel bis die Hälfte aller Patienten leiden unter anderen Problemen im Gastrointestinaltrakt. Gestillte Säuglinge, die eine Sensibilisierung gegen Kuhmilchproteine aufweisen, reagieren vor allem mit einer Verschlechterung des atopischen Ekzems und/oder entwickeln eine allergische Kolitis.
Diagnostik
Ausgangspunkt der Diagnostik der Kuhmilcheiweißallergie sind Anamnese und klinischer Untersuchungsbefund. Sie weisen mehr noch als die Labordiagnostik den diagnostischen Weg. Bei einer schweren systemischen allergischen Reaktion oder einer typischen Sofortreaktion und bei Vorliegen eines spezifischen IgE Befundes ist die Diagnostik abgeschlossen: es kann die Ernährungsumstellung auf eine Eliminationsdiät, einer Diät, bei der das allergische Eiweiß ausgeschlossen ist, begonnen werden. Schwieriger ist es bei fehlendem spezifischem IgE Befund: in diesem Fall ist die weitere Diagnostik mit einer standardisierten oralen Provokation notwendig. Bei positivem Ergebnis, dh. beim Auftreten von allergischen Symptomen, ist eine spezifische Eliminationsdiät notwendig, bei negativem Ergebnis der Provokation – keine Eliminiationsdiät erforderlich.
Wenn ein begründeter Verdacht und klinisch relevante Symptome vorliegen, sollte unabhängig vom Ausfall eines Allergietests, auch wenn spezifische IgE negativ und/oder Prick Testung negativ sind, eine diagnostische Eliminationsdiät erfolgen: Milchnahrungen und Beikost auf Kuhmilchbasis, Sojaprotein und andere tierische Proteinen (z. B. Ziegenmilch) müssen dann konsequent gemieden werden.
Wenn der Säugling noch gestillt wird, dann kann der Versuch eines Ausschlusses von Kuhmilcheiweiß der Mutter für die Dauer von etwa 2 Wochen im Sinne von Weglassen von Milch und Milchprodukten, versucht werden. Bessert sich die Symptomatik beim gestillten Säugling, dann sollte dennoch unbedingt eine Provokation der Mutter mit Kuhmilch erfolgen. Wenn die orale Provokation der Kindesmutter mit Kuhmilch beim gestillten Säugling klinische Symptome auslöst, dann sollte die Eliminationsdiät der Mutter fortgesetzt werden, wobei unbedingt eine Ernährungsberatung und Kontrollen der Ernährung der Mutter sichergestellt werden müssen, damit die Stillende eine adäquate Nährstoffzufuhr während der Eliminationsdiät zu sich nimmt.
Kommt es zu keiner Verbesserung der klinischen Symptome beim gestillten Kind, ist bei schweren Symptomen des Kindes (schwerem atopischem Ekzem, allergischer Kolitis mit Gedeihstörung, Eiweißverlust oder Anämie) eine weitere Diagnostik notwendig.
Therapie
Säuglinge mit einer Kuhmilchproteinallergie, die durch eine standardisierte orale Provokation gesichert wurde, bzw. Säuglinge mit durch eine klare Sofortreaktion gesicherter Kuhmilcheiweißallergie sollten bis zum vollendeten 12. Lebensmonat eine therapeutische Nahrung erhalten.
Bei entsprechenden klinischen Symptomen und bei entsprechender Indikation erfolgt zumeist die Kostenübernahme durch die Krankenkassen.
Bei Vorliegen einer Kuhmilcheiweißallergie muss eHF/AAF als „therapeutische Nahrung“ bis zum Ende des 1. Lebensjahres bzw. bis zur Entwicklung einer Toleranz empfohlen werden: Diese „therapeutische Nahrung“ wird also zur Therapie von Kuhmilcheiweißallergie eingesetzt und hat damit den Charakter eines Medikaments.
Die Prognose der Kuhmilcheiweißallergie ist im Säuglings- und Kleinkindesalter günstig. Daher ist je nach Symptomen in geeigneten zeitlichen Intervallen (6 bis 18 Monate) die Diagnose bzw. die Entwicklung von Toleranz zu überprüfen, um eine unnötig lange therapeutische Eliminationsdiät zu vermeiden.