In der Schwangerschaft kommt es oftmals zu heftigen Gefühlsschwankungen. Und auch innerhalb der Partnerschaft ändert sich mit einem Baby vieles. Welche ambivalenten Gefühle könnenbei der werdenden Mutter auftauchen?
Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass es widersprüchliche Gefühle gibt, dass sie ganz normal sind und niemand sich deswegen schlecht fühlen muss. Fast jede werdende Mutter bekommt zunächst einen kleinen Schock, wenn sie erfährt, dass sie schwanger ist- auch wenn sie sich das Kind gewünscht hat. Eine Schwangerschaft bringt grundsätzlich starke Veränderungen auf körperlicher und seelischer Ebene mit sich und fast zwei Jahrzehnte wird das Leben der Eltern- vor allem der Mutter- jetzt auf ein Kind ausgerichtet sein. Da können schon mal Zweifel aufkommen:
Bin ich fähig, eine gute Mutter zu sein?
Wie soll ich das mit meinem Beruf vereinbaren?
Wird unsere Beziehung oder Ehe das verkraften? Wird das Kind gesund sein?
All diese Fragen sind normal und helfen, sich auf das Kind vorzubereiten. Es ist bekannt, dass vorbereitende Eltern in der Regel besser mit später auf sie zukommenden Problemen fertig werden, als solche, die sich keine Gedanken machen.
Welche Ängste plagen werdende Väter?
Für die meisten Männer spielt Unabhängigkeit und Status eine große Rolle. Ein Baby behindert die Unabhängigkeit sehr stark, deshalb haben viele Männer Probleme, ihre Vaterrolle anzunehmen. Die Verantwortung für ein Kind zu übernehmen, ist für Väter auch deshalb schwer, weil sie oft keine gutenVorbilder haben. Als Hauptverdiener in den meisten Familien machen sie sich verständlicherweise auch Gedanken um die finanzielle Verantwortung und geraten manchmal in Panik. Im Gegensatz zu Frauen,die sich oft und gern mit Freundinnen über Sorgen und Nöte austauschen, vermeiden Männer in der Regel intime Gespräche, weil sie sich „keine Blöße“ geben wollen.
Gerade das führt aber zu noch größerer unausgesprochener Angst. Die Möglichkeit, dass bei der Geburt ein Problem auftauchen könnte oder dass ihr Kind behindert sein könnte versetzt werdende Väter zusätzlich in Panik. Ich empfehle werdenden Vätern unbedingt, sich mit anderen Vätern auszutauschen oder sich Bücher von Vätern für Väter zu besorgen, damit sie sich besser fühlen und der Vaterrolle gelassen entgegensehen können.
Wie sollten Mann und Frau damit umgehen?
Offene Aussprachen über Ängste und Sorgen sind ganz wichtig. Wenn es den werdenden Eltern gelingt, sich gegenseitig mit allen Gefühlen anzunehmen, ist schon viel gewonnen. Unbedingt vermeiden sollte man gegenseitige Vorwürfe. Wenn jeder von sich selbst spricht und der Partner ohne Bewertung zuhört, ist schon viel gewonnen.
In Kursen zur Geburtsvorbereitung lernt man andere Eltern mit ähnlichen Problemen kennen. Das tut gut. Schön ist auch, wenn man an einem Abend in der Woche gemeinsam ein Buch liest, das auch Probleme werdender Väter mit einbezieht und sich anschließend darüber austauscht. Ich empfehle werdenden Eltern auch, sichgegenseitig noch einmal zu verwöhnen, auszugehen, vielleicht gemeinsam Urlaub zu machen und die Zeit ohne Baby zu genießen.
Was verändert sich mit einem Baby in der Partnerschaft?
Ganz viel! Das müssen werdende Eltern einfach wissen. Es wird Durststrecken geben, aber die kann man gemeinsam überstehen! Mit einem Kind vertieft sich einerseits die Bindung zwischen den Eltern. Sie werden nun lebenslang Eltern bleiben, auch wenn sie sich trennen! Das Kind ist immer zur Hälfte vom Vater. Andererseits ist ein Kind auch oft der Grund, dass Paare auseinander gehen. Das ist traurig, weil das Kind beide Eltern braucht und liebt – von Anfang an. Väter müssen wissen, dass sie nach der Geburt in die zweite Reihe treten: für die Mutter ist das Baby nun die wichtigste Person. Das ist biologisch einfach so einprogrammiert und sehr nützlich.
In den ersten Monaten, ja oft in den ersten Jahren, haben Frauen aufgrund der Belastung mit dem kleinen Kind und der vielfältigen neuen Erfahrungen oft wenig Lust auf Sex. Je verständnisvoller der Partner mit diesem Problem umgeht, umso besser wird auch die Beziehung sich entwickeln. Mütter sollten Verständnis für die Probleme der Vätern haben und mit ihnen auch ganz offen über Selbstbefriedigung reden. Wenn umgekehrt Väter sich intensiv um das Baby kümmern – indem sie es tragen und wickeln – und die Mutter nach besten Kräften umsorgen, sind diese oft so begeistert, dass sich das auch positiv auf das Gefühlsleben auswirkt. Frauen brauchen gute Gefühle, Verständnis und liebevolle Gespräche, wenn sie sexuell aktiv werden wollen.
Was kann der Mann und die Familie tun, um der jungen Mutter zu helfen?
Ganz viel! In vielen alten Kulturen ist es üblich gewesen und zum Teil bis heute üblich, der jungen Mutter einen großen Freiraum und ganz viel Zuwendung nach der Geburt zukommen zu lassen. „Man braucht ein ganzes Dorf um ein Kind großzuziehen“ sagt ein afrikanisches Sprichwort. Was die junge Mutter genau haben will, sollte man sie am besten selbst fragen.Manche freuen sich, wenn sie bekocht werden, wenn man für sie einkauft und putzt, andere sind glücklich, wenn man ihnen das Baby für ein paar Stunden abnimmt oder wollen sich einfach mal ausheulen oder in den Arm genommen werden. Ganz wichtig ist, der jungen Mutter keine umfangreichen Ratschläge zu geben oder sie gar zu kritisieren. Die“Geburt einer Mutter“ ist heftig und Frauen brauchen ganz viel Liebe, Verständnis und Zuwendung um die ersten Wochen gut zu überstehen. Schließlich haben sie der ganzen Familie ein großes Geschenk gebracht: das Leben. Dies zu würdigen ist absolut wichtig.
Gisela Preuschoff
Psychotherapeutin und Autorin